AKB - Akademie der Konditoren - Innung Berlin

Historie der Konditoren Innung Berlin

Wer die Aufgabe übernimmt, eine Chronik über die 250 jährige Geschichte der Berliner Konditoren-Innung zu schreiben, steht zunächst einmal vor dem Problem, die vielen Geschichten und Geschichtchen, Anekdoten, Erlasse, Biographien und Erinnerungen aus über 100.000 Tagen wechselvoller Zeitgeschichte zu sichten.

Ganz von selbst wird dem Betrachter, hat er sich erst ein wenig durch die Fülle des Materials durchgearbeitet, bewusst, dass das Schicksal dieser traditionsreichen "Handwerks-Innung" mit dem Schicksal unseres Berlins verbunden ist.

Angefangen hatte es in der aufstrebenden Hauptstadt des jungen Preußen, als vor 250 Jahren die Innung der Berliner Pfefferküchler ihre ersten Statuten erhielt.

Am Anfang stand die Kunst der Franzosen

Die eigentlichen Ahnen der heutigen Konditoren waren im 17. und 18. Jahrhundert die Zuckerbäcker des französischen Königshofes, deren Kunst sich schnell in Europa verbreitete. Und sicher ist ebenso, dass kunstvolle Bereitung von Fruchtpasten aus arabischen Ländern über Italien zu uns kam. Alten Urkunden zufolge wurde das reine Zuckerbäckerhandwerk in Berlin schon im Jahre 1578 ausgeübt. Bestimmt eine Anlehnung an die Herstellungstechniken der frühen Apotheker.
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Diese hatten zunächst versucht, mancherlei Verabreichungen in eine "süße Verpackung" zu stecken, die sogenannten medizinischen Bonbons. Hätte man vor 250 Jahren schon die schöne Kunst der Fotografie gehabt, sicher würde im heutigen Innungshaus ein Großfoto vom denkwürdigen 5. September 1726 ausgestellt sein. Das nämlich ist der Gründungstag, an dem 6 Meister des ehrsamen Pfefferküchler-Handwerks vom preußischen König Friedrich Wilhelm das "Privileg von königlichen Gnaden" zum Zusammenschluss in einem Gewerck erhielten. In diesem Statuten-Rahmen bewegte sich von nun an das Geschehen "des Gewercks" der rührigen Pfefferküchler.

Übrigens waren die älteren Berliner Innungen, die bereits Ende des 13. Jahrhunderts entstanden, die sogenannten "Viergewercke" Bäcker, Schuhmacher, Tuchmacher und Knochenhauer. Regelmäßig berichteten jetzt die Protokollbücher der jungen Innungen über Meisterprüfungen, Rechnungs-legungen und das Ein- und Ausschreiben von Lehrstellen. Dass der Zusammenschluss der Pfefferküchler nicht immer das reinste "Honigschlecken" war, dafür sorgten schon die hohen finanziellen Belastungen des Staates.

Auch eine Reformgesetzgebung wurde von den Zünften 1811 nicht als unbedingte Wohltat empfunden. Die Einführung der Gewerbefreiheit erhärtete nicht nur den Konkurrenzkampf, sondern, wie die Klagen der Pfefferküchler vorbrachten: "Es steht zu befürchten, dass Betrug und Pfuscherei die Folgen des freien Wettbewerbs sein würden". Und so, durch Kriegsjahre und Konkurrenz gezwungen, konzentrierten die Pfefferküchler alle Kräfte, um den in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts in Berlin gegründeten Konditoreien ebenbürtige Konkurrenten zu werden.

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Berühmte Konditoreien bestimmten in Berlin...

In kurzer Zeit entstanden jetzt, nach dem Vorbild der Schweizer, weit über die Grenzen Berlins hinaus, berühmte Konditoreien. Ihre Gründer waren fast ausnahmslos Nicht-Berliner. Namen wie Volpi, Josty, Stopanie, D'Heureuse, Gumpert, Kranzler und viele andere gehörten dazu.
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Zwei Tatsachen begründeten ihren Ruhm im Berlin der Biedermeierzeit: Eirural die Köstlichkeit der angebotenen Waren und die Einrichtung eines "Lesekabinetts". Sie wurden zum Treffpunkt der politisch interessierten Kreise und erreichten damit eine Bedeutung, die sie im Mittelpunkt aller fortschrittlichen Berliner Bürger und ihren Gedanken stehen ließen. Dabei schufen sie ganz nebenbei die unnachahmliche Berliner Cafe-Haus-Atmosphäre, die den eigentlichen Grundstock für die Cafehauskultur in Europa wurde.

Das Güteschild "Konditorei" verführte natürlich so manchen zweifelhaften Zeitgenossen im Berlin der Biedermeierzeit zur Einrichtung "eines Etablissements" mit "besonderen Vorzügen". Der Volksmund nannte diese bald anrüchigen Lokale "Winkel-Konditoreien". Solche "Gasthäuser" konnten natürlich das gute Renommee der echten Berliner Konditoreien nicht in Frage stellen.
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Wie sah es eigentlich in den Konditoreien des aufstrebenden Berlins aus

Zu den berühmten Konditoreien ihrer Zeit gehörte z.B. Josty an der Stechbahn, schräg gegenüber dem Schloss. Hier verkehrten in der Hauptsache pensionierte "Militärs". Besonders nach der Sonntagsparade war bei Josty ein Uniform-Gewimmel, dem alle Truppengattungen angehörten.

Spagnapani war die Konditorei der "Gemessenheit". Hier war das hohe und mittlere Beamtentum zu Hause. Im Staatsdienst ergraute Männer mit der Vorliebe für behagliche Wärme und das "stille Gespräch".

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Stehely am Gendarmenmarkt liefert für die Zeitgenossen den genauen Gegenpol. Dem Schauspielhaus fast gegenüber wurde diese Konditorei schon früh zum Mittelpunkt für Berlins Künstler und Literaten. Hier phantasierte E.T.A. Hoffmann, hier verzehrte Heine seine Baiser und karikierte die ganze Welt. Die Stimmung war lebhaft vom Nachmittag bis zur Theaterzeit.

Kranzler an der Ecke der Friedrichstrasse war der bevorzugte Ort für die Berliner Gardeleutnants. Politischen Diskussionen war man hier ebenso abgeneigt wie Gästen, die nicht dem Adelstand angehörten. Der Berliner Dandy und der junge Adel gaben sich hier ihr tägliches Stelldichein.

Durch die schlechten Erfahrungen einer ständigen Gewerbefreiheit, die jedem ohne Erlernung des Handwerks den Handel mit Konditorwaren gestattete, schlugen die Konditoreibesitzer eine neue Gewerbeordnung vor: Kuchenbäcker, Marzipan-, Schokolade-, Bonbonfabrikanten und Drogisten, zusätzlich ausgestattet mit Ausschankberechtigung, sollten den Rahmen einer neuen Innung abgrenzen. Nach vielerlei Diskussionen und Verhandlungen, wobei sich die Gruppen der Pfefferküchler und Konditoren fast uneinsichtig gegenüberstanden, verfügte der Staat kurzerhand die Bildung einer vereinigten Innung. Ab 1854 gab es die "Pfefferküchler- und Konditoren-Innung Berlin".

Inzwischen hatte sich Berlin zur wirklichen Weltstadt gemausert. Mit dem Zucker als Hauptrohstoff wurden die Konditorei-Erzeugnisse laufend verfeinert. Nur saisonbedingt wurden Honig- und Lebkuchengebäcke hergestellt. Mit der erneuten Verbesserung der Konditorei-Ware wuchs auch die Bedeutung der Innung. Ab 1903 nur noch "Konditoren-Innung zu Berlin".

Natürlich schlug der erste Weltkrieg auch den Konditoren tiefe Wunden. Mancher Innungsmeister kehrte aus "Liebe zu Kaiser und Vaterland" nicht mehr in die Backstube zurück. Auch der Rohstoffmangel zwang zu Einschränkungen der Konditorenkunst.

Am 1. Oktober 1921 wurde das Konditorenhandwerk mit einer Zwangsinnung "gesegnet". Obwohl anfangs nicht gleich gesehen, wirkte sich dieser feste Zusammenschluss doch sehr nachhaltig auf Organisation, Zusammengehörigkeitsgefühl und Anhebung der fachlichen Qualität aus. Man "rückte immer näher zusammen", tauschte Erfahrungen aus, beriet sich besser untereinander und schulte den Nachwuchs noch intensiver.

Durch Fachmessen angeregt wurden jetzt jährliche Fachausstellungen veranstaltet, die das ständig steigende Niveau der Berliner Konditoren-Erzeugnisse unter Beweis stellten. Der Höhepunkt handwerklichen Konditorenschaffens war, als man 1926 die 200-Jahr-Feier in festlichem Rahmen beging. Aus der Festrede des damaligen verdienten Obermeisters der Berliner Konditoren-Innung seien einige Sätze zitiert, die auch heute noch ihre Gültigkeit haben: ".... was vor 200 Jahren unseren Vorfahren not tat, ist heute in schwerer Zeit für uns alle ernste Pflicht. Nur durch den festgefugten Zusammenschluss ist es möglich, unsere Berufsinteressen wirksam zu vertreten ...... An der Schwelle des dritten Jahrhunderts geloben wir alle treu zu unserer Innung zu halten und gemeinsam zu arbeiten für das blühen unseres Handwerkes"

Der feste Zusammenschluss und das damit verbundene hohe Niveau Berliner Konditorenkunst strahlte noch bis in die ersten Kriegstage "des tausendjährigen Reiches" weit in die Lande. Bereits zu Beginn des 2. Weltkrieges aber stellte sich für viele Betriebe die Existenzfrage. Die Umwandlung des Begriffes Luxus auf Genussmittel-Erzeugung und eine energische Vertretung der Berufsinteressen ermöglichte aber dann die weitere Fortführung der Mitgliedsbetriebe.

Es folgten Jahre, in denen die selbständige Innungsführung ebenso ausgeschaltet wurde wie die Möglichkeiten einer kontinuierlichen Weiterentwicklung des Konditoren-Handwerks. Zur Rohstoffknappheit gesellten sich die schmerzlichen Auswirkungen eines mörderischen Krieges. Der Tod hielt wieder reiche "Kriegsbeute" unter den Innungsmitgliedem, der Nachwuchs war auf irgendwelchen Schlachtfeldern in Europa oder Übersee verstreut. Viele Konditoreien wurden zu Asche gebombt oder ein Raub der Flammen, als der Luftkrieg erbarmungslos auf die Zivilbevölkerung der Hauptstadt übergriff.

So wurde auch das alte Innungshaus in der Hedemannstrasse 1944 Opfer eines Luftangriffes. Mit ihm verbrannte auch eine Fülle kulturhistorischen Materials gekoppelt mit einem Teil der Berliner Geschichte war. Der Exitus einer einst sprudelnden Weltstadt Berlin schien besiegelt, als die Sieger auf dem Brandenburger Tor die "rote Fahne" hissten. Aber wo deutsche Gründlichkeit gepaart mit Handwerkerfleiß und Berliner "Pfiffigkeit" zu Hause ist, da regt sich schnell der Wille zum Wiederaufbau.

Berliner Konditoren gehörten mit zu den ersten, die die Trümmer beiseite räumten und aus den Überresten einer zerstörten und zerbombten Stadt die Grundsteine für ein neues, modernes Berlin legten. Nach Monaten eines ungewissen organisatorischen Zustandes wurde am 28. Januar 1947 die Berliner Konditoren-Innung wieder selbständige Fach- und Handwerksorganisation. Durch die Spaltung Berlins ließ sich eine gemeinsame Vertretung aller Berliner Konditoren nicht mehr durchführen.

Der Ostberliner Magistrat rief eine eigene Handwerkskammer ins Leben, die die Belange der Ostberliner Kollegen wahrnehmen sollte. Bald waren die Schatten eines zerstörten Berlins verblasst, und viele alte und berühmte Namen der Konditorenkunst strahlten wieder in neuem Glanz.

Namen wie Kranzler, Schilling, Hillbrich, Miericke und Möhring spiegeln den traditionsbewussten Geist und die ungebrochene Vitalität der Berliner Konditoren wider. Wer heute der neuentstandenen Weltstadt Berlin einen Besuch abstattet, wird wieder von Köstlichkeiten der Konditoren-Ware überrascht sein.

Durch die Mitwirkung an Kongressen mit internationalen Leistungsvergleichen, durch Optimierung der Nachwuchsausbildung und die ständige Beteiligung an der Gastwirts- und Konditorenmesse unter dem Funkturm haben die Berliner Konditoren?Erzeugnisse wieder Weltruf erreicht. Darüber sollte jedoch nicht die aufopferungsvolle Tätigkeit der Männer vergessen werden, die "als Männer der 1. Stunde" mit dabei waren, wenn es galt, zum Wohle der Konditoren, ihrer Innung und dadurch nicht zuletzt auch all derer, die sich in den handwerklichen Künsten der Konditoren zu jeder Zeit erfreuen konnten, das Beste zu geben.

Da war Obermeister Paul Richter, der in schweren Jahren und 37 jähriger Amtszeit von l881 bis 1918 in vorbildlicher Innungsführung jedem Kollegen fest zu Seite stand. Oder Hermann Lochau, der als sein Nachfolger bis 1923 das Innungsschiff mit weiser Klugheit auch durch Jahre der Inflation steuerte. Ernst Bettin war der Mann der "Stunde null", als er 1947 den neugegründeten Zusammenschluss übernahm. In Hans Mähring, der ab 1948 die Geschicke der Innung lenkte, fanden die Konditoren einen "Mitstreiter", dessen Verdienste in der Ernennung zum Ehrenobermeister ihre verdiente Würdigung fanden.

Vor allem der Initiative von Fritz Marquardt ist es zu verdanken, dass die Berliner Konditoren-Innung heute wieder ein stolzes Innungshaus mit eigener Innungsfachschule besitzt. Auch ihn belohnten die Innungsmitglieder mit der Ehrenobermeisterwürde. Als einen Mann des Ausgleichs und der Harmonie lernten die Konditoren Obermeister Bruno Martin schätzen und kennen. Mit hintergründigem "rheinischem" Humor, Ideenvielfalt und einem vollendeten Verhandlungs- und Organisationsgeschick leitet seit 1966 Obermeister Willi Schmitz die Geschicke der Innung. Berlins Konditoren haben unter seiner Leitung die ganze Palette des Know-How und die Erkenntnisse des modernen Managements auf die Bereiche der eigenen Betriebe übertragen können.

Die Ausbildung des Nachwuchses in der innungseigenen Fachschule, die Präsentation des Konditorenhandwerks nach außen und der hohe persönliche Einsatz von Willi Schmitz und seinem Vorstand (stellv. Obermeister G. Soltmann, K-J. Rödiger-Fester, D. Senst, G. Paulisa, später M. Schmidt, H. Thomas) gaben der Berliner Konditoren-Innung ein neues Image für die Arbeit einer beispielhaften Berliner Handwerks-Innung.
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